FDP Haushaltsrede trägt Titel: Die Krise anerkennen und gemeinsam ehrlich handeln!

FDP Hemer

Liebe Ratskolleginnen und -kollegen,
sehr geehrter Herr Bürgermeister Christian Schweitzer, 
sehr geehrter Herr Kämmerer Frohwein
sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Rathaus,
meine Damen und Herren!

Ich könnte es mir heute leicht – und damit für Sie kurz – machen. Der Haushalt 2023 sieht Aufwendungen von 125 Mio. Euro vor, der für 2022 lag bei 120 Mio. Euro: Der Anstieg von 5 Millionen Euro liegt somit deutlich unter der Inflationsrate, also ein Erfolg?! Wenn man die Länge der Beratungen in den Ausschüssen ansieht, die meist deutlich unter einer Stunde waren, könnte man auch sagen „alles eitel Sonnenschein“?! Oder ich könnte die gleiche Rede wie beim letzten Mal halten und einfach den Begriff Corona durch Kriegslasten ersetzen.

Doch das wird dem Ernst der Lage nicht gerecht.

„Zeitenwende“ – so lautete das Wort des Jahres 2022. Ja, das Jahr 2022 war eine Zeitenwende und dies müssen wir auch Hemer begreifen und danach handeln. Hatte uns in den beiden Vorjahren die Pandemie mit allen Erkrankungen und massiven Einschränkungen des öffentlichen Lebens im Griff, so begann am 24. Februar der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Und das in einem Moment, in dem wir alle hofften, den Weg zu altem Optimismus und lieb gewonnener Unbekümmertheit wiederzufinden. Doch anstatt der erhofften Normalität befinden wir uns nun in einer Situation multipler Krisen: Energiekrise, Lieferkettenprobleme, Inflation, Flüchtlinge… 
Auch Hemer kann sich dem nicht entziehen und je schneller und ehrlicher wir das anerkennen und danach handeln, desto besser werden wir durch die Krise kommen. 

Heute beschließen wir mit großer Mehrheit von CDU, SPD, GAH, Linken und FDP den Haushalt der Stadt Hemer für 2023. Es ist ein gutes Signal in die Bürgerschaft hinein, dass es gelungen ist, am Ende einen gemeinsamen Beschluss herbeizuführen. Wenn man die Beratungen in den Ausschüssen Revue passieren lässt, muss man feststellen, dass es durchaus unterschiedliche Ansichten, Anträge oder Akzentuierungen gab. Am Ende allerdings eint uns alle das Bestreben, die Stadt Hemer handlungsfähig zu erhalten.

An den Anfang möchte ich den Erfolg stellen, dass es keine Steuererhöhungen geben wird. Es wäre fatal, wenn wir alle Bürgerinnen und Bürger über die Grundsteuer noch stärker belasten würden. Dieses negative Szenario aus der letzten mittelfristigen Finanzplanung haben wir verhindern können.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass dies nur möglich ist, weil das Land NRW die Kommunalhaushalte durch die Corona- und Ukraineisolation bilanziell und damit juristisch genehmigungsfähig hält. Liquidität stellt das Land aber nicht bereit. Bis Ende 2025 werden wir Schäden aus Corona und dem Ukrainekrieg von 25,8 Mio. Euro angehäuft haben und diese erstmal als Vermögenswert bilanzieren! Eigentlich absurd, weil es nämlich genau das Gegenteil ist: geliehenes Geld, also Schulden, was normalerweise auf der anderen Seite der Bilanz gebucht werden muss. Und diese isolierten Schäden übersteigen schon 2025 das Eigenkapital der Stadt deutlich. Diese viele Millionen müssen dann ab 2026 in bis zu 50 Jahren aufgelöst werden, d. h. jeder Haushalt von 2026 bis 2075 hat schon jetzt eine halbe Millionen Euro auf dem Deckel! Hier werden Lasten der Gegenwart in die Zukunft verschoben; Generationengerechtigkeit sieht anders aus.

Vor ziemlich genau 15 Monaten bei der Verabschiedung des Haushalts für 2022 habe ich darauf hingewiesen, dass die Rendite der 10jährige Bundesanleihe die Nulllinie durchbrochen habe und Schulden wieder Zinszahlungen nach sich ziehen. Heute, nur gut ein Jahr später, liegt diese Referenzanleihe schon bei 2,7% und der Zinsanstieg wird weitergehen. Das sieht man auch deutlich im Haushalt der Stadt Hemer: Der Zinsaufwand (ohne Kassenkredite) wird sich von knapp unter 1 Mio. Euro (2021) auf fast 4 Mio. Euro in 2026 erhöhen.

Wir haben investive Einzelmaßnahmen von 25 Mio. Euro im Haushalt; hinzu kommen noch Ermächtigungsübertragungen von knapp 13 Mio. Euro. Das sind für eine so kleine Stadt Riesensummen, die immer auch Abschreibungen und Zinsen nach sich ziehen, selbst wenn wir oft Fördermittel dagegen setzen können. Diese Investitionen belasten so dauerhaft die kommenden Haushaltsjahre und sind aus FDP-Sicht in der Gesamtsumme nicht tragbar. Vieles, was wir da beschlossen haben, stammt noch aus der Zeit, als kein russischer Panzer in der Ukraine stand.

Deshalb nehmen wir den Haushaltsbegleitbeschluss, alle Investitionsprojekte über 50.000 Euro nochmals kritisch zu überprüfen, um eine Millionensumme einzusparen, sehr ernst. Wir müssen endlich nicht nur abstrakt über Einsparungen reden, sondern dies auch bei Abstimmungen konkret umsetzen. Sparen ist ja kein Selbstzweck, sondern dient dazu, auch in kommenden Jahren noch Entscheidungsspielräume zu haben. Bei nahezu allen Anträgen zu Sparmaßnahmen bzw. zum Nein für zusätzliche Ausgaben stand die FDP in den vergangenen Monaten allein. 

Für jede einzelne Investition gab und gibt es fachlich gute Argumente. Das entbindet uns allerdings nicht von der Pflicht, Prioritäten zu setzen. Hier muss die Arbeitsgruppe Haushaltssicherung zeitnah ein Paket schnüren, was gestrichen, was geschoben und was reduziert werden kann. 
Natürlich ist ein neuer Bolzplatz an der Holbeinstraße wünschenswert. Aber muss der vollausgestattet 250.000 Euro kosten? Reicht es hier nicht erstmal, für 50.000 eine bespielbare und abgegrenzte Rasenfläche zu machen? 
Müssen wir, nachdem wir mit fast 1 Mio. Euro den Friedenspark neu gemacht haben, auch um die Bücherei herum 800.000 Euro in die Aufwertung der Außenanlagen stecken? Und 200.000 Euro für den Westiger Park. Müssen für die Freiraumplanung der Europaschule jetzt 500.000 bereitgestellt werden? Kann die Sanierung der Fassade Gymnasium für 600.000 nicht auch zwei Jahre geschoben werden? Muss die Beleuchtung der Unterführung ZOB 60.000 kosten? Müssen bis 2026 1,5 Mio. Euro für ÖPNV-Haltestellen ausgegeben werden?
Das sind die Fragen, mit denen wir – ohne, dass ich jeweils jetzt schon die Antwort kenne – uns kritisch auseinander setzen müssen.
 
Ein Projekt allerdings steht für uns, anders als bei der UWG, nicht zur Disposition: das Regionaleprojekt „Stadtmitte 4.0 – Zusammen leben, lernen, arbeiten“ mit der Stadtbücherei als Kernbaustein. Hier wurde ein strategisch für die Innenstadt wichtiges Projekt angeschoben und steht kurz vor der Realisierung. Dabei geht es um Bildung, Kultur, Lernen, Kommunikation und Belebung der Innenstadt. Das muss umgesetzt werden!

Wir dürfen nicht auf alle Fördertöpfe aufspringen, besonders wenn es nur um geringe Beträge geht. Zwar ist es schön, wenn jemand anderes Geld gibt. Allerdings muss man immer im Auge habe, auch Fördergelder waren vorher Steuergelder! Genauso wichtig ist, dass es immer Eigenanteile der Stadt gibt, fast immer laufende Folgekosten und die Abwicklung Personal bindet. Als Beispiel möchte ich hier auf Leader-Region “HIM – das sind wir!”, bestehend aus Hemer, Iserlohn-Nord und Menden verweisen. Ein seltsames, weil völlig künstliches Gebilde, in das viel Ressourcen gesteckt worden sind und Förderquoten von 65 bis 80% bringen soll. Ob am Ende wirklich ein nennenswerter Nutzen für die Bürgerinnen und Bürger entsteht, erscheint mir fraglich.

Ein Herzensanliegen der FDP-Fraktion war immer die Hemer-Karte/Hemer-APP als Kernstück der Digitalisierung zwischen der Stadt und den Bürgern und Bürgerinnen. Diese Hemer-Karte soll alle digitalen Leistungen bündeln: von der Eintrittskarte Sauerlandpark über Büchereiausweis, Eintrittskarten für städtische Veranstaltungen, Eintrittskarte für das Hallenbad oder als Mensakarte an den Schulen. Mit so etwas könnte man Hemer zu einer smarteren Stadt machen. Leider ist bisher in diese Richtung so gut wie nichts geschehen.

Schon seit vielen Jahren fordert die FDP-Fraktion ein strategisches Immobilienkonzept. Wir müssen unseren Bestand kritisch prüfen und fragen, welche Räumlichkeiten muss die Stadt Hemer vorhalten und betreiben. Wir haben in den vergangenen Jahren etliche neue Räume hinzu bekommen, ob nun am Sauerlandpark oder am Alten Amthaus. Hier müssen wir überlegen, wie die tatsächliche Auslastung der Räume ist und welche Bedarfe in Zukunft sich ändern. Dazu gehören besonders das Thema Desksharing und New Work für die klassischen Verwaltungsarbeitsplätze. In den Zeiten der Digitalisierung und von Homeoffice muss nicht jeder Mitarbeiter, vielleicht noch als Halbtageskraft, ein eigenes Büro mit Zimmerpalme haben. Hier sind mittelfristig hohe Einsparpotentiale, der HH-Begleitbeschluss greift auch das auf.

Ein immer wiederkehrendes Motiv in meinen Haushaltsreden ist die Wirtschaftsförderung. Ich muss ehrlich zugeben, dass ich das aktuelle Konstrukt, die konkreten Aufgaben und Ziele nicht richtig verstehe. Und auch in den Ausschüssen ist das nie ausführlich diskutiert worden. Ab und zu hört man mal was, ein klares Bild ergibt sich nicht. Manchmal hat man den Verdacht, da verliert sich einiges im Klein-Klein, mal wird was aus dem Bereich Stadtmarketing gemacht, mal was zur Tourismusförderung, mal was zur Stadtplanung: So bekam die Stadt vom Land Fördermittel von 97.200 Euro zur Verringerung von Leerstand durch Anmietungen. Das Geld, natürlich muss die Stadt auch einen Eigenanteil aufbringen, konnte nicht komplett ausgegeben werden. Jetzt sind noch knapp 30.000 Euro im Topf, dafür sollen jetzt „mobiles Stadtgrün“ (Bäume in Kübeln) und Innenstadtmobiliar gekauft werden. Eine Überlegung zu den Folgekosten (Winterquartier, Transport, Vandalismus) gibt es nicht. Das ist keine strategische Vorgehensweise. Die FDP-Fraktion wünscht sich ein klares Profil der Wirtschaftsförderung mit klaren Zielvorgaben und -vereinbarungen, die auch im Haupt- und Finanzausschuss diskutiert und ggf. angepasst werden.

Ganz große Herausforderungen sind und bleiben Migration und Flucht. NRW hat so viele Ukrainer und Ukrainerinnen aufgenommen wir ganz Frankreich und die Niederlande zusammen, bis Februar 224.000! Ich möchte hierzu keine Generaldebatte aufmachen. Es sei aber den Hinweis erlaubt, dass es wieder die Städte und Gemeinden sind, die die finanzielle und organisatorische Hauptlast zu tragen haben: Wir müssen für die Unterbringung und Ausstattung sorgen, wir müssen für die Beschulung der Kinder sorgen, wir müssen Integration organisieren. Das stellt nicht nur die Stadt vor finanzielle und personelle Probleme, sondern bringt auch für den Zusammenhalt der Gesellschaft völlig neue Herausforderungen.

FDP Hemer

Strategische Herausforderungen gibt es bei den vier großen „S“: Stadtwerke Hemer, Stadtbetrieb, Sparkasse Märkischen Sauerland und Sauerlandpark.

  1. Das Geschäftsmodell kleiner Stadtwerke wie Hemer, das jedes Jahr eine Million an die Stadt ausschüttet, ist dauerhaft kaputt. Die eingesetzte Zukunftskommission hat hier die Aufgabe Perspektiven für die zukünftige Struktur aufzuzeigen.
  2.  Der Stadtbetrieb Iserlohn-Hemer ist erstmal als interkommunales Unternehmen gesichert, muss aber endlich intern zur Ruhe kommen und sich auf die Kernaufgaben konzentrieren.
  3. Das Scheitern der Fusion der Sparkasse Märkisches Sauerland ist ein schwerer Schlag, weil für uns so wertvolle Zeit bei der Konsolidierung der heimischen Sparkassenlandschaft verloren ging. Jetzt müssen schnell neue Perspektiven eröffnet werden, damit wir hinterher nicht allein dastehen und irgendwann von einem viel größeren Partner geschluckt werden. 
  4. Der Sauerlandpark ist Hemers Alleinstellungsmerkmal, aber kostet auch 2 Mio. Euro pro Jahr. Das in den strategischen Zielen vom Rat formulierte Ziel, die Defizite zu senken, muss von der Geschäftsführung umgesetzt werden. Dabei müssen sowohl strikte Kostendisziplin (auch beim Personal) als auch Erhöhung von Einnahmen im Fokus stehen.

Ein weiteres für Hemer wichtiges „S“ haben wir gemeinsam 2022 erfolgreich abarbeiten können: Die Paracelsus-Klinik wurde von der DGD übernommen und sichert nun als Stadtklinik die Krankenhausversorgung in Hemer. Ein toller Erfolg, der geräuschlos über die Bühne ging.

Große Investitionen stehen für alle Kommunen in den kommenden Jahren im Schulbereich an, besonders für die Offene Ganztagsschule. Dabei finanzieren wir 2023 unsere Schulen noch immer nach einer Logik aus den 50er Jahren: Dabei werden die Kosten nach inneren und äußeren Schulangelegenheiten aufgeteilt: Das Land finanziert die pädagogische Arbeit der Lehrerinnen und Lehrer, die Kommunen sollen für die Rahmenbedingungen sorgen. Früher beschränkte sich das auf den Bau der Schulen, Tafeln und Kreide. Das hat sich grundlegend verändert. Inzwischen müssen die Kommunen als Schulträger wichtige Zukunftsaufgaben wie Digitalisierung, Ganztagsausbau, Schulsozialarbeit, Integration oder Inklusion stemmen. Themen, für die zusätzliche Räumlichkeiten, Technik und viel Personal benötigt werden.
Was die Kommunen brauchen, ist ein dauerhaft tragfähiges und verlässliches Finanzierungssystem. Stattdessen legen Bund und Land lediglich hin und wieder einzelne Förderprogramme auf, die keine langfristige Planungssicherheit bieten. Sie sind außerdem in der Regel sehr bürokratisch.
Sämtliche Empfehlungen bei der jüngsten Anhörung im Schulausschuss des Landtages liefen auf eine grundlegende Reform der Schulfinanzierung hinaus. Die vom Land eingesetzte Transparenzkommission hat in ihrem Abschlussbericht Ende 2021 festgestellt, dass der zusätzliche Finanzbedarf bisher nicht befriedigend geregelt worden ist. Befristete Programme oder Anschubfinanzierungen seien keine passenden Instrumente für die Daueraufgaben der Schulen. 

Der ab 2026 geltende Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in den Grundschulen stellt die Kommunen in NRW vor unlösbare Aufgaben. Der Zeitplan war von Beginn an unrealistisch. Hinzu kommt nun auch noch eine Hängepartie bei Bund und Ländern: Selbst eineinhalb Jahre nach Einführung des Gesetzes ist die Finanzierung immer noch nicht geklärt. Seitdem die Kommunen wissen, dass der Rechtsanspruch kommt, haben sie gewaltige Anstrengungen unternommen. Viele Projekte für den Ausbau der Schulen stehen auch in Hemer in den Startlöchern.  Was fehlt, ist der Startschuss, wir warten händeringend auf die Freigabe der Finanzmittel durch Bund und Länder. Seit der jüngsten Verhandlungsrunde zur Verwaltungsvereinbarung zur Durchführung des Ganztagsfinanzhilfegesetzes im September 2022 herrscht Stillstand. Somit kann das Land bisher keine entsprechende Förderrichtlinie auf den Weg bringen. Diese ist jedoch zwingend nötig, damit wir vor Ort handeln können. 
Aber nicht nur die Finanzen sind unklar; wichtige inhaltliche Fragen sind dringend zu klären: Wir brauchen endlich Klarheit über die Rahmenbedingungen für die qualitative Ausgestaltung des Ganztags. Das entsprechende Gesetz soll wohl erst 2024 verabschiedet werden – viel zu spät. 
Es klaffen bei der inhaltlichen Ausgestaltung, Räumlichkeiten, Finanzierung auch beim vorhandenen Personal weiterhin riesige Lücken zwischen politischen Zielvorgaben und dem, was tatsächlich vor Ort umsetzbar ist. Allein um den Fachkräftemangel zu beheben, braucht es ein Wunder, denn die Menschen, die Betreuung sicherstellen sollen, gibt es schlicht auf dem Arbeitsmarkt nicht. 
Wir müssen auch aufpassen, jetzt nicht Investitionen anzuschieben, die nicht nachhaltig sind, die mit fallenden Schülerzahlen nicht mehr benötigt werden. Wir können auch nicht neben die vorhandenen Räumlichkeiten für die normale Beschulung am Vormittag spiegelbildlich Betreuungsräumlichkeiten für den Nachmittag setzen. Das mag sich vielleicht der ein oder andere wünschen, ist aber baulich auf den Grundstücken und finanziell nicht stemmbar, auch unter Klimagesichtspunkten und Ressourcenschonung fragwürdig. Es gilt also, smarte Lösungen zu finden, wie Räume flexibler gestaltet und genutzt werden können.

FDP Hemer

So schwer es auch fallen mag: Auch bei der Einnahmen-Seite muss man aktiv werden. Besonders dort, wo hochwertige kommunale Leistungen angeboten werden, die nur von einem kleinen Teil der Bevölkerung genutzt, aber von allen bezahlt werden, müssen wir den Kostendeckungsgrad stärker im Blick haben. Das gilt zum Beispiel für die Mittagsverpflegung an den Schulen oder Kindertagesstätten, wo die Kosten in den vergangenen Jahren gestiegen sind, die Elternanteile aber konstant bleiben. Oder als weiteres Beispiel die Ferienfreizeit in Ispei: eine 40 Stunden-Woche kostet 80 Euro inklusive Mittagessen und Getränken für ein Kind. Wir finden, das darf mehr kosten, ggf. gibt es einen Sozialrabatt. 

Wir als FDP-Fraktion sind auch der Auffassung, dass die Möglichkeiten einer freiwilligen interkommunalen Zusammenarbeit bei weitem noch nicht ausgeschöpft sind. Es geht hier nicht um Zusammenlegung von Einheiten, sondern um wechselseitige Aufgabenwahrnehmung, Unterstützung und Abrundung von Angeboten in der Region. Das kann gut im Bereich der Jugendhilfe erfolgen oder z. B. bei der Musikschule. Wir werden hier entsprechende Anträge einbringen.
 
Der Zahlbetrag der Kreisumlage steigt für 2023 um rd. 8,8 Mio. € auf knapp 294 Mio. €. Nach der aktuellen mittelfristigen Ergebnisplanung würde die allgemeine Kreisumlage bis 2026 auf rd. 352 Mio. € steigen, also 56 Mio. Euro in nur drei Jahren. Hemer hat dabei immer einen Anteil von knapp 10%, also kommen für uns 2026 ca. 5 Mio. Euro on top! Mal zum Vergleich: die Grundsteuer B bringt der Stadt Hemer pro Jahr 8 Mio. Euro.
Die Gründe für den Anstieg der Kreisumlage sind vielschichtig. So hat der Kreis seit Jahren einen steilen Personalaufwuchs. Die MVG „erwirtschaftet“ immer höhere Defizite, die nicht mehr vom Kreishaushalt aufgefangen, sondern auf die Kommunen umgelegt werden. Die Umlage für den Landschaftsverband LWL steigt dynamisch an.
Hinzu kommen nach der Eigenkapitaleinlage von fast 10 Mio. Euro noch Investitionsmittel für die Märkischen Kliniken, die allein bis 2026 bei gut 50 Mio. Euro liegen sollen. Das bedeutet eine dauerhafte hebesatzrelevante Belastung des Kreishaushaltes von über 4 Mio. Euro. Wir in Hemer subventionieren hier eine Klinik, die für unser Versorgungsgebiet nur eine untergeordnete Rolle spielt. Ebenfalls subventionieren wir den ÖPNV in den südlichen Gefilden des Märkischen Kreises.
Gegen diesen Aufwuchs der Kreisumlage können wir in Hemer kaum ansparen. Hier erwarte ich von der Kreispolitik und -verwaltung ein freiwilliges Konsolidierungsprogramm sowie einen stärkeren Rückgriff auf die Ausgleichsrücklage, um den Anstieg der Umlage für die Kommunen abzumildern. Für die kommenden Jahre sind insbesondere der Anstieg der Personalstellen zu stoppen, nach Corona freiwerdendes Personal abzubauen und die Digitalisierung zu forcieren.

Die FDP-Fraktion wird dem Haushalt für 2023 – trotz der zahlreichen kritischen Anmerkungen – zustimmen. Unser Ziel ist es, jetzt bei vielen der oben ausgeführten Fragen und Themen in eine Diskussion in den Ausschüssen einzusteigen. 

Selten waren die Unsicherheiten auf allen Gebieten so groß wie heute, die Zukunft so schwer prognostizierbar, doch lassen Sie uns trotzdem gemeinsam den Blick optimistisch nach vorn richten. Enden möchte ich deshalb mit einem Zitat von Albert Camus: „Die wahre Großzügigkeit gegenüber der Zukunft besteht darin, in der Gegenwart alles zu geben.“

Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit, und bleiben Sie optimistisch: Glück auf!